Stettin. Ulica Wyzwolenia 46. Hanza Tower

Lange ist es her. Sehr lange.

Ich muss tief ins Archiv steigen, um zu erfahren, wann ich erstmals von dem Mega-Projekt „Hanza Tower“ im polnischen Stettin hörte. Es war Ende 2017, also bald sechseineinhalb Jahre her.

Lange her: Das ehrwürdige Hotel „Dana“ war einst eine Konfektionsfabrik. Die Tram fährt
heute noch. Und der Turm „Hanza Tower“ ist fertiggestellt

Genau hier ist nachzulesen, was uns, also Frau Hiob und mir, damals im Hotel „Dana“ begegnete: ein dreidimensionales Modell.

Ein Modell des Mega-Turms, der dort entstehen sollte. Direkt hinter dem Hotel „Dana“. Was sich später noch als glückliche Fügung herausstellen wird.

Vorm Einkaufszentrum „Fala“ reckt sich jetzt der Turm himmelwärts.

DER Turm.

Der „Hanza Tower“.

Wir stehen. Und staunen.

Doch zunächst mal zurück in den Oktober 2023. War es Oktober? Schwierig, Tarzan reist so unendlich viel. Doch, es wird Oktober gewesen sein. Noch vor dem tragischen Kühlschrank-Unfall der Frau Hiob im November. Wie üblich nächtigten wir im interessant-stylischen „Moxy“. Was nie ein Fehler ist. Und im Rückblick auch nie einer sein wird.

Noch ist nicht alles fertig. In Tiefgarage und erstem Stock noch nackter Beton, Kabel hängen von der Decke, das Foyer ist verschlossen.

Dennoch hat Frau Hiob, neugierig, wie sie ist, auf dem Buchungsportal meines Vertrauens eine Suite ganz oben entdeckt. In der 27. Etage. Eigener Pool und so.

„Einmal hier drin wohnen“, seufzt Frau Hiob, auf den monströsen Tower starrend.

Wenn es Nacht wird in Stettin … wechselt der Tower in regelmäßigen Abständen die Farbe seiner Lichtleisten

Na ja. Die Suite dort oben ist relativ unbezahlbar, wir wandern zunächst zurück in unser „Moxy“.

Und überhaupt. 27. Etage? Ein übler Film mit Gregory Peck, der auch hier schon erwähnt wurde.

Im März ist es so weit. Wir werden im „Hanza Tower“ nächtigen. Zwar nicht so lange, wie es eigentlich geplant war. Aber dazu später.

Vorerst läuft es wie in so vielen „Privat-Appartements“ bzw. „Ferienwohnungen“. Eine Telefonnummer, ein Zahlencode per WhatsApp, der den Schlüssel zum Privat-Appartement freigibt.

Gespenstisch nur, dass es hier kein wunderbar altmodisches Treppenhaus wie in der „Wielkopolska“ oder der „Kaszubska“ gibt. Nein, es sind die labyrinthischen Gänge des „Hanza Tower“. Und es ist nur der 5. Stock. Wie erbärmlich.

Vom Foyer aus an der Südseite laufen wir ca. 17 Kilometer durch trostlose Gänge zur Westseite. Kurven, Ecken, neue Durchgänge. Wer hier wohnt, muss sich auskennen. Aber richtig.

Nun gut. Es gibt keinen Grund, das Appartement zu kritisieren. Es ist sehr groß, sehr zweckmäßig, sehr komfortabel. Der Blick vom Balkon geht auf die Plattenbauten der nördlichen „Srodmiescie“. Das heißt „Stadtmitte“, hat nicht etwa was mit „Schrott“ zu tun.

Aber so richtig wohl fühlen wir uns nicht.

Es ist … kalt. Nicht die Temperatur. Nein, es fehlt … ja, was? Ambiente? Stil?

Stil, heute wohl „stylish“ genannt, wie im ebenso günstigen „Moxy“. Oder der spaßige, verbesserungswürdige Stil im einstigen Hotel „Gryf“. Auch das sind heute „Appartements“. Mit Zahlencode-Zugang. Im „Gryf“. Dem Raubvogel „Greif“. Das polnische Wappentier.

Am zweiten Abend passiert das Unglück.

Ich habe festgestellt, dass man mit einem weiteren Türcode sämtliche Außentüren des „Hanza Tower“ öffnen kann. Selbst mitten in der Nacht. Selbst, wenn das „Foyer“ (17 Kilometer Weg auf den Gängen) längst unbesetzt ist.

Dank tarzanesker Neugier entdeckte ich einen zweiten Fahrstuhl, der uns nur wenige Schritte von unserem Appartement entlässt. Keine 17 Kilometer durch die Gänge. Frau Hiob ist begeistert.

Ebenso begeistert hantiere ich bei der nächtlichen Rückkehr mit dem Zimmerschlüssel in der Hand, gerade als der Fahrstuhl kommt. Der Schlüssel fällt zu Boden.

Er springt ein Stück. Und verschwindet in der Ritze des Fahrstuhlschachts.

Das ist jetzt …

Hmmm. Schwierig, Worte zu finden.

Es ist 22.30 Uhr nachts.

Frau Hiob bleibt merkwürdig gelassen. Sie, die sonst schon aufbraust, wenn mir die Kuchengabel zu Boden fällt. Immerhin ist es eine hoch unangenehme Situation, zumal der Besitzer samt Ersatzschlüssel gerade in Kolberg weilt.

Wir werden das Drama lösen. Tarzans Recherche-Gen springt an.

Wohin fiel der Schlüssel? Nach unten. Schwerkraft. Reine Physik. Er muss also unter uns zu finden sein. Tarzan hetzt ins Treppenhaus, fordert im Untergeschoss den Fahrstuhl an. Okay, die südliche Tür öffnet sich, die nördliche Tür knarrt nur. Auch auf energische Anforderung mit einem Spezialknopf.

Dann also ins zweite Untergeschoss. Auch hier ist die Nord-Fahrstuhltür blockiert. Ich sprinte ins dritte Untergeschoss. Und komme dem Geheimnis näher. Gebäudepläne in den Fluren sagen, dass es im dritten Untergeschoss keinen Fahrstuhlschacht mehr gibt. Er muss im zweiten enden.

Das Geheimnis liegt hinter der Tür Nr. „-2-110“ in der Tiefgarage. Diese führt zur Service-Klappe des Fahrstuhlschachts. Der hier seinen Boden hat. Dort, an der nördlichen Seite, wird unser Schlüssel liegen. Und die Tür ist natürlich verschlossen.

Es ist inzwischen 22.45 Uhr nachts.

Mein genialer Türcode lässt mich auch ins Haupt-Foyer. Wo allerdings zu dieser Stunde niemand auffindbar ist.

Im Technikraum über der Tiefgarage schaut ein Englisch-Sprachiger, ob der Schlüssel für den legendären wichtigen Raum „-2-110“ in seiner Sammlung ist. Er ist es nicht. Auswärtige Techniker haben ihn. Mittendrin ruft auch noch Robert auf meinem Handy an, unser Appartement-Vermieter. Er wird morgen Vormittag aus Kolberg eintreffen und uns retten.

Mit Jacke und Kreditkarte ausgerüstet, geht es ins „Hotel „Dana“. Hier haben wir ja schon mal im Dezember 2017, wie oben lesbar, einen netten Aufenthalt gehabt.

Es ist, o ja, auf jeden Fall „stylisher“ als das öde Appartement oben im „Hanza Tower“. Das wir jetzt nicht mehr betreten können. Da der Schlüssel im Fahrstuhlschacht liegt.

Es ist schön dort oben im 4. Stock des Hotel „Dana“. Man reicht uns „Notgästen“ Zahnbürste und Paste. Von der „zapka“, einem Spät-Kiosk, holen wir noch Bier und Wein. Gegen den Schock.

Frau Hiob glaubt, dass ich, ebenso wie sie, von dem Appartement im „Hanza Tower“ wenig begeistert war. Daher hätte ich unbewusst absichtlich den Schlüssel in den Fahrstuhlschacht geworfen. Damit ich wieder mit ihr in dem schönen „Dana“-Hotel übernachten kann. Wie einst 2017.

Etwas abwegige Hintertreppen-Psychologie.

Aber: Wir haben überlebt.

Das Frühstück im „Dana“ ist famos.

Robert kommt. Großes Hallo. Ersatzschlüssel. Unser Gepäck im Appartement. Unterwegs zum Auto kauft er der glücklichen Frau Hiob eine Flasche Wasser.

Polen kann so schön sein.

Aber nächstes Mal doch wieder das „Moxy“.

Hinterlasse einen Kommentar